Der Khao-Yai-Nationalpark, Sommerfrische der Hauptstädter Zu Besuch bei lästigen Blutsaugern, seltenen Gibbons und einem dickköpfigen Elefanten

Die schäumenden Massen des Heo-Suwat-Wasserfalls rauschen in einer beeindruckenden weißen Wand herunter. Sein Donnern übertönt jedes Geräusch, die feine Gischt kühlt das Gesicht. Augen schließen, den Moment genießen. Schon allein dafür hat sich die Flucht aus der Stadt gelohnt. Den Wasserfall ist Leonardo DiCaprio in dem Thailand-Backpacker-Sehnsuchtsfilm „Der Strand“ aus dem Jahr 2000 hinab gesprungen; auch deshalb zieht er die Besucher an.

Aussicht im Khao-Yai-Park. ©Foto: Katja Dombrowski
Aussicht im Khao-Yai-Park. ©Foto: Katja Dombrowski

Wer nicht Leonardo DiCaprio heißt, muss allerdings draußen bleiben: Baden verboten, ist den Schildern zu entnehmen. Vielleicht gilt das auch nur für die Regenzeit. Auf dem Parkplatz zum Wasserfall zieht ein sehr echt aussehendes Gummikrokodil skeptisch-neugierige Blicke auf sich. Ein Filmteam baut gerade seine Ausrüstung auf – offenbar fangen gleich die Dreharbeiten zum nächsten Hollywood-Blockbuster an. Oder es entsteht ein Werbeclip für ein neues Duschgel, das das Unterbewusstsein dann mit Leonardo DiCaprio in Verbindung bringt.

Der Khao-Yai-Nationalpark ist aber nicht nur eine beliebte Filmkulisse, sondern vor allem die Sommerfrische vieler Bangkoker. Er ist der meistbesuchte Nationalpark des Landes; ausländische Touristen sind in der Minderheit. Hier, in den dicht bewaldeten Bergen, ist die Luft kühl und rein, statt Autolärm singen Vögel und Affen, und der Blick wird nicht vom nächsten Hochhaus begrenzt, sondern gleitet zwischen dunkelgrünen Gipfeln hindurch.

Eine andere Welt

Der Gegensatz zur nur 200 Kilometer südwestlich gelegenen Hauptstadt ist perfekt. Diese andere Welt, 1962 zum ersten Nationalpark Thailands und 2005 als Teil des Waldkomplexes der Dong-Phaya-Yen-Bergkette zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt, ist mehr als 2000 Quadratkilometer groß und beherbergt eine außergewöhnliche Artenvielfalt: 112 Säugetierarten wurden gezählt, darunter Tiger und Elefanten, 200 Reptilien- und Amphibienarten, sowie mehr als 392 Vogelarten. 24 der hier lebenden Tierarten sind als bedroht gelistet.

Einige Tiere sieht man sofort. Direkt am Besucherzentrum laufen mehrere Hirsch-Familien herum, im Fluss hinter dem Restaurant zieht ein Waran die Blicke auf sich, und Vögel und Schmetterlinge sind allgegenwärtig. Andere Khao-Yai-Bewohner, wie Tiger, Leopard und Python, üben zwar einen gewissen Reiz aus, doch begegnen möchte man ihren lieber nicht. Die Chance (oder Gefahr) ist glücklicherweise sehr gering. Wieder andere bilden die unvermeidliche Schwelle, die jeder überwinden muss, der ein Abenteuer erleben will: Das sind zum Beispiel Spinnen und – vor allem in der Regenzeit – Massen von Blutegeln, die sich nicht nur an die Fersen, sondern an jeden erreichbaren Körperteil eines jeden Wanderers heften.

Das Gefühl für den Dschungel und seine Bewohner bekommt nur, wer sich hinein begibt. Es gibt diverse markierte Wanderwege unterschiedlicher Länge. Am Besucherzentrum sind Informationen dazu erhältlich und Führer zu engagieren, die dafür sorgen, dass man nicht nur Augen für den Weg, sondern auch für Pflanzen und Tiere drumherum bekommt.

Für eine Strecke von fünf Kilometern sind vier Stunden angesetzt, und nach kurzer Zeit wird auch klar, warum. Kurz zuvor hat es geregnet, und der Pfad ist die reinste Rutschpartie. Zudem müssen quer liegende Baumstämme überklettert, Abhänge erklommen und Bäche überwunden werden. Um trockene Füße zu behalten, tut man so einiges – zum Beispiel à la Tarzan und Jane an einer Liane ans andere Ufer schwingen oder waghalsig auf einem glitschigen Stamm hinüber balancieren. Im Rückblick am Ende der Tour, von Kopf bis Fuß durchnässt, eine vollkommen unnötige Anstrengung.

Doch der Blick in die Kronen der Urwaldriesen, durch die ein Streifen Sonnenlicht bricht, und das vielstimmige Konzert, zu dem Insekten, Vögel und Affen beitragen, lassen nasse Füße und Blutegel vergessen. Zweimal sind Gibbons zu sehen. Der erste ist ein Weißhandgibbon, der sich in geschätzten dreißig Metern Höhe von Ast zu Ast schwingt und den nur der geübte Blick des Führers entdeckt. Schnell ist der Affe wieder zwischen dunklen Blättern verschwunden. Beim zweiten Mal sind es mindestens zwei Gibbons, und sie sind besser zu erkennen, da sie ein helles Fell haben: Es handelt sich um die seltenen Kappengibbons.

Naturwunder

Den Weg säumen mal leuchtend orange Pilze, dann Büsche mit sternförmigen weißen Blüten zwischen türkisblauen Beeren. Kleine Frösche springen davon, und Baumhörnchen huschen vorbei. Es gibt 300 Jahre alte Riesenbäume, zwischen deren Wurzeln ein Mensch sich mühelos verstecken kann, und Bäume, deren Holz nach Zimt und Zitrone duftet. Ein botanisches Bestimmungsbuch oder ein Thai-Wörterbuch wären hilfreiche Begleiter.

Nach der Wanderung und einer Stärkung geht es gemütlicher weiter. Mehrere Aussichtspunkte und -türme können mit dem Auto angefahren werden und bieten eine tollen Blick über den tropischen Regenwald, die bis zu 1300 Meter hohen Berge sowie Wiesen und Wasserstellen, an denen mit etwas Glück Elefanten, Affen oder Hirsche zu beobachten sind. Auch einige Wasserfälle sind gut zu erreichen und stellen schöne Rastplätze dar. Unweit der Straße gibt es Salzleckstellen, die vor allem morgens und abends Elefanten und andere Tiere anziehen sollen.

Es kann aber auch passieren, dass ein Elefant hinter der nächsten Kurve plötzlich vor dem Auto steht. In diesem Fall, so lautet die Regel in der Informationsbroschüre des Parks, soll man anhalten, keinesfalls hupen oder die Scheinwerfer anmachen und darauf warten, dass der Elefant von sich aus den Weg freimacht. Das kann eine Weile dauern. Doch in der Tat wird ungeduldiges Näherkommen mit drohendem Ohrenwackeln beantwortet. Der Elefant macht den Weg erst frei, wenn es ihm passt. Als wollte er den Besuchern eines ganz klar vor Augen führen: Der Khao-Yai-Park gehört vor allem den Tieren.