Wo Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser und Sanitäreinrichtungen haben, verbreiten sich Krankheiten leicht. Ibrahim Awol, stellvertretender Leiter der Gesundheitsbehörde des äthiopischen Distrikts Meskan mit rund 200 000 Einwohnern, beschreibt im Interview die größten Herausforderungen für die Landbevölkerung und welche Fortschritte in den vergangenen Jahren erzielt wurden.
Warum sind sauberes Wasser und Sanitärversorgung so wichtig für die Kontrolle von Krankheiten?
Wasser ist einfach grundlegend. Ohne sauberes Wasser ist Körperhygiene unmöglich, und Krankheiten verbreiten sich schnell. Auf dem Land ist Durchfall das größte Problem. Aber wir haben beispielsweise auch mit Typhus und mit Trachom zu kämpfen, einer ansteckenden Augenkrankheit.
Was tun Sie dagegen?
Bei der Krankheitsbekämpfung konzentriert sich das äthiopische Gesundheitsministerium auf drei Bereiche: Mutter- und Kindgesundheit, Hygiene und Sanitärversorgung und Kontrolle ansteckender Krankheiten. Vor acht Jahren haben wir begonnen, im gesamten Distrikt lokale Gesundheitshelfer einzusetzen, die die Menschen zu Hause besuchen und klinische Dienste in Gesundheitszentren anbieten. Seitdem ist unter anderem die Kindersterblichkeit zurückgegangen.
Was sind denn die größten Herausforderungen in dieser Gegend in Bezug auf Wasser und Sanitärversorgung?
Es gibt nicht genügend Brunnen. Gemäß dem Standard der Weltgesundheitsorganisation sollte jeder Haushalt Zugang zu einer sicheren Wasserquelle in höchstens 1,5 Kilometern Entfernung haben. Derzeit trifft das nur auf 68 Prozent der Haushalte in Meskan zu. Außerdem sollten zwei Gesundheitshelfer für höchstens 5000 Menschen zuständig sein, und auch dieses Soll erfüllen wir noch nicht. Der Bau von Latrinen ist auch ein großes Problem. Nur 57 Prozent der Haushalte haben überhaupt irgendein Klo, während nur sehr wenige eine gute Latrine haben, die tiefer und besser geschützt ist und einen Deckel hat. Außerdem: Nicht alle Dorfbewohner, die ein Klo haben, benutzen es auch.
Warum nicht?
Sie sind es nicht gewohnt. Das ist eine Frage von Tradition und Kultur. Aber wir bringen den Bauern die Vorteile von Latrinen näher. Unser Ziel ist es, von der Gewohnheit, sich auf dem Feld oder im Busch zu erleichtern, ganz wegzukommen. Die Gesundheitshelfer haben 789 Freiwillige aus den Dörfern ausgebildet, die sogenannte Gesundheitsarmee, und die wiederum klären die Menschen vor Ort auf.
Sind denn Fortschritte zu verzeichnen, seit das Programm läuft?
O ja, Vieles hat sich verbessert. Vor vier Jahren, als die Initiative begann, hatten sogar nur 18 Prozent der Bauern ein Klo. Durch den Einsatz der Gesundheitshelfer hat sich die Mutter- und Kindgesundheit verbessert, und die Kindersterblich ist zurückgegangen. Die Haupttodesursache für Kinder unter fünf Jahren ist Lungenentzündung; früher starb rund ein Drittel der betroffenen Kinder, jetzt sind es 12 Prozent. Bei Durchfall, der zweithäufigsten Todesursache, verbesserte sich der Wert von 30 auf 20 Prozent. Das kommt daher, dass die Familien ihre Kinder jetzt ins Gesundheitszentrum bringen, wenn sie krank sind. Auch ein Drittel der Geburten findet nun in einer Gesundheitseinrichtung statt. Vor acht Jahren waren es nur vier Prozent. Die Impfrate ist ebenfalls stark gestiegen. Die Impfkampagne der Regierung gegen Rotaviren trägt auch zur Verringerung der Sterblichkeit bei.
Was muss passieren, damit alle Menschen in Ihrem Distrikt eines Tages Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen haben?
Nun, wir müssen weiterarbeiten. Wir brauchen mehr Brunnen, damit jeder Haushalt sicheres Wasser in zumutbarer Entfernung hat. Und jeder Bauer braucht ein gutes Klo.
Was kostet denn eine solche modellhafte Latrine, und zahlen Sie den Leuten Zuschüsse, um sie zu bauen?
Der Bau einer guten Latrine kostet 2500 Birr (rund 100 Euro). Wir geben keine finanzielle Unterstützung, aber wir haben junge Männer aus den Dörfern angelernt, wie man Deckel aus Zement herstellt, und die helfen den Bauern dabei. Es ist ein Marketingprogramm für die Sanitärversorgung. Für die jungen Männer ergibt sich dadurch auch eine Jobmöglichkeit: Sie bekommen Start-up-Kapital als Darlehen, um ein eigenes Business mit der Herstellung dieser Klodeckel aufzumachen.
Gibt es in dem Bereich auch Unterstützung durch Geber oder NGOs?
Ja, es gibt lokale NGOs wie GTM, die mit Hilfe internationaler Geber zum Beispiel sichere Trinkwasserbrunnen bauen, und das ist sehr hilfreich. Dann ist da noch das nationale One-WASH-Programm, das von der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank unterstützt wird. Im Rahmen dieses Programms bauen wir jetzt in einer Stadt öffentliche Latrinen in der Nähe des Marktes und des Busbahnhofs. Unser größtes Problem ist das Budget – wie in vielen afrikanischen Ländern.