"Das ist ein Riesenmarkt"

Jörg Buck, Geschäftsführer der Deutsch-Thailändischen Handelskammer, ist überzeugt, dass sich der Einstieg in die boomende Erneuerbaren-Wirtschaft Südostasiens für europäische Unternehmen auszahlt.

Jörg Buck, Geschäftsführer der Deutsch-Thailändischen Handelskammer. ©
Jörg Buck, Geschäftsführer der Deutsch-Thailändischen Handelskammer. ©

neue energie: Sie vertreten die Interessen deutscher Firmen in Thailand, einem der wirtschaftlich bedeutendsten Länder Süd­ostasiens. Rennt Ihnen der deutsche Mittel­stand die Bude ein?

Jörg Buck: Erfreulicherweise interessiert sich der deutsche Mittelstand zunehmend für die Länder aus dem Verband Südostasia­tischer Nationen, kurz: ASEAN. [Dazu gehö­ren Thailand, Indonesien, Malaysia, die Phi­lippinen, Singapur, Brunei, Vietnam, Myan­mar, Laos und Kambodscha - Anm. d. Red.] Trotzdem wird die Bedeutung dieser Wirtschaftsregion als drittgrößte in Asien nach China und Indien in Deutschland meiner Meinung nach unterschätzt. Das müssen wir ändern, daran arbeiten wir.

ne: Was sind die wichtigsten Aspekte, die für ein Engagement deutscher Unterneh­men in Südostasien sprechen?

Buck: Die ASEAN-Region besteht aus zehn Ländern und fast 600 Millionen Konsumen­ten, die ab 2015 in einem gemeinsamen Binnenmarkt operieren werden, die ASEAN Economic Community, das ist ein Riesen­markt. Wir stellen fest, dass deutsche Un­ternehmen zunehmend eine China-plus­-eins- oder Indien-plus-eins-Strategie fahren, also ASEAN als zweites wichtiges Stand­bein in Asien nach den beiden großen Wirt­schaftsmächten aufbauen. Das ist auch hin­sichtlich des Risikomanagements interes­sant, falls sich ein Markt nicht so entwickelt wie erwartet.Noch ein Punkt spricht für den Standort Südostasien: Durch ein Freihandelsabkommen kann aus den ASEAN-Ländern de facto zollfrei mit China gehan­delt werden. Entsprechende Verhandlungen mit Indien laufen.

ne: Die Deutsch-Thailändische Handels­kammer hat rund 500 Mitglieder. Sind dar­unter auch Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien?

Buck: Ja, circa 20 Firmen sind der Branche zuzuordnen. Das sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen, aber auch der Glo­bal Player Siemens, der hier gut im Markt vertreten ist und zum Beispiel die Rotoren für den ersten großen Windpark Thailands geliefert hat. Wir haben einige Projektent­wickler, und wir nehmen auch wahr, dass sich der Finanzbereich zunehmend für die Region interessiert.

ne: Südostasiens Energiebedarf steigt jährlich um vier Prozent, viele der Länder wollen in Zukunft verstärkt erneuerbare Energien nutzen. Ist das der neue Markt für deutsche Photovoltaik-Hersteller und Windkraftanlagenbauer?

Buck: Ja, definitiv. Das zeigt sich zum einen an dem verstärkten Interesse von kleinen und mittleren Unternehmen, aber vor allem auch von Projektfinanzierern. Wenn sich Er­neuerbare-Energien-Fonds im Markt enga­gieren, was in Thailand und der Region der Fall ist, ist das ein sehr starkes Indiz dafür, dass der Markt interessant ist und die erforderlichen Renditen bringt. Nachdem der deutsche und europäische Erneuerbaren-Markt stark gesättigt ist, muss die Branche sich jetzt für Südostasien interessieren.

ne: Wasserkraft wird in der Region bereits in großem Maße genutzt. Das Potenzial der anderen Erneuerba­ren liegt dagegen noch weitgehend brach. Auf welche Arten der Ener­giegewinnung wird Südostasien Ih­rer Einschätzung nach setzen?

Buck: Das ist vom Länderprofil ab­hängig. Eine wichtige Rolle spielen sicher Biomasse und Bioenergie, weil sie stark an die Landwirtschaft gekoppelt sind und viele ASEAN-Länder da sehr gut aufgestellt sind. Manche Regionen präferieren Solarenergie. In Thailand gibt es zurzeit einen Schwenk von Solarfarmen zu Industriedachflächen, der nächste Schritt ist das Hausdach. Dafür ­ist derzeit eine Förderung in Planung. Biokraftstoffe sind ebenfalls ein Thema, hier inThailand ganz stark auch die Windkraft. Interessant für die Region sind zudem autarke Energieversorgungssysteme, da spielen die Erneuerbaren eine sehr große Rolle. Ich denke etwa an Indonesien mit seinen 17000 Inseln, die flächendeckend versorgt werden müssen.

ne: In welchen ASEAN-Ländern sehen Siedas größte Potenzial für Investitionen deutscher Unternehmen?

Buck: Wir haben Programme für die Ent­wicklung in Thailand, Malaysia, Indonesien, Vietnam und den Philippinen. Thai­land ist der Vorreiter in Südostasien: Hier stehen die größte Solarfarm, der größte Windpark und das größte Bio­masse-Kraftwerk.


ne: Sind die Voraussetzungen zur Ein­speisung von Erneuerbaren-Strom in großem Stil überhaupt gegeben, Stichwort nationale und internationale Netze?

Buck: Da ist noch viel Bedarf: Wir sprechen noch nicht einmal von Smart Grids, sondern von den Anforderungen an die nationalen Netze. Die müssen stark ausgebaut werden. Das haben die Regierungen aber erkannt. Und im Übrigen bietet das auch Investi­tionschancen. Ein wichtiger Trend sind zu­dem regionale, autarke Lösungen. Auch das Thema Energiespeicherung wird zum Zuge kommen. Das sind alles Geschäftschancen. Zusammenfassend kann man sagen, dass es großen Investitionsbedarf gibt, vor allem, wenn wir dann den nächsten Schritt Rich­tung Smart Grids gehen müssen.


ne: Was tun die ASEAN-Länder, um auslän­dische Investoren - etwa für den Bau von Solarkraftwerken oder Biogasanlagen - an­zulocken?

Buck: Vor allem gibt es Steuererleichterun­gen in vielen verschiedenen Bereichen, von der zollfreien Einfuhr von Maschinen und Rohstoffen bis hin zur Befreiung von der Umsatzsteuer für die ersten fünf oder sie­ben Jahre nach der Ansiedlung. Die Steuer­anreize sind oft davon abhängig, ob produk­tive Kapazitäten in einem Land geschaffen werden, und erhöhen sich noch, wenn auch die Produktentwicklung vor Ort stattfindet. Außerdem sind die Einspeisevergütungen zunehmend attraktiv.


ne: Wer garantiert den Unternehmen, dass die genannten Investitionsanreize nach dem nächsten Machtwechsel noch Bestand haben?

Buck: Da besteht aus meiner Sicht kein Risiko. Die Einspeisevergütungen sind vertraglich geregelt und somit politisch unabhängig. Das gleiche gilt für die Ansiedlungspolitik. Die ASEAN-Länder sind generell an Neuinvestitionen interessiert.

ne: Was sind die größten Barrieren für deutsche Unternehmer, die sich hier im Markt engagieren wollen?

Buck: Das kommt darauf an, in welcher Branche und auf welcher Ebene man ein­steigt. Wichtig ist, den richtigen lokalen Ge­schäftspartner im Markt zu identifizieren. Dabei helfen wir als Handelskammern in allen Ländern. Die Bieterverfahren sind von außen oft schwer zu durchschauen und mit­zugestalten. Das heißt, es ist besser, vor Ort vernetzt zu sein, um gegebenenfalls schnell auf Bieterverfahren reagieren zu können. Als Zulieferer ist man davon natürlich wie­derum komplett unabhängig.


ne: Wie bereits angesprochen, werden die zehn Mitglieder des Verbandes Südost­asiatischer Nationen Ende 2015 eine Wirt­schaftsgemeinschaft bilden. Was bedeutet das für deutsche Firmen?

Buck: Wir arbeiten gerade an einer Road­map AEC 2015, in der wir den Weg aufzeigen wollen, was das für die strategische In­vestitionsentscheidung eines deutschen Mit­telständers bedeutet. Wir werden dort über zehn Branchen berichten, aber auch über transversale Themen wie 'Wie verändern sich Logistikströme?' oder 'Was bedeu­tet das für den Finanzsektor?'. Schon jetzt kann zwischen den ASEAN-Ländern zollfrei gehandelt werden, jedoch gibt es noch eini­ge Hürden bei der Zollabwicklung und der Harmonisierung der Standards. Die Logistik wird sich aber stark vereinfa­chen, und es wird eine deutliche Effi­zienzsteigerung geben. Innerhalb der AEC ist zudem die Service-Freiheit zu nennen, und das Verschieben von Arbeits­kräften, auch im ingenieurwissenschaft­lichen Bereich, wird erheblich erleichtert. Insgesamt wird das Produzieren, das Ar­beiten und vor allem auch das Handeln in ASEAN leichter.