Birmas Regierung bewegt sich - langsam

Erstmals werden Birmas Reform-Ankündigungen konkret: Tausende Häftlinge sollen frei kommen. Das Land strebt offenbar die Annäherung an den Westen an.

Angehörige ethnischer Minderheiten an der Shwedagon-Pagode in Yangon. ©Foto: Katja Dombrowski
Angehörige ethnischer Minderheiten an der Shwedagon-Pagode in Yangon. ©Foto: Katja Dombrowski

Die Regierung in Birma (offiziell: Myanmar) scheint ernst zu machen mit ihren Versprechungen: Ab Mittwoch sollen mehrere tausend Gefangene freigelassen werden, darunter voraussichtlich auch politische Häftlinge.

Der Wandel hatte sich schon seit Längerem angedeutet. Bislang aber waren sowohl Birmas Opposition als auch internationale Beobachter skeptisch, ob es bei Lippenbekenntnissen und kleineren Korrekturen bleibt, oder ob sich das südostasiatische Land, das fast ein halbes Jahrhundert lang von einer Militärdiktatur beherrscht wurde, tatsächlich langsam in Richtung Demokratie bewegt.

Die Freilassung politischer Gefangener wäre das bislang deutlichste Signal in einer Reihe von überraschenden Zugeständnissen der im vergangenen November gewählten, nominell zivilen Regierung. Hoffnungen auf echte Reformen wurden zuvor unter anderem durch den von Staatschef Thein Sein eröffneten Dialog mit der Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und durch die Öffnung des Landes gegenüber dem Westen genährt.

Medienberichten zufolge hatten mehrere Regierungsvertreter in den vergangenen Tagen erklärt, eine Freilassung politischer Gefangener stehe kurz bevor. Am Dienstag hieß es im birmanischen Staatsfernsehen, der Präsident habe eine Amnestie für 6.359 Häftlinge erlassen. Ältere, behinderte und kranke Menschen, die einen Teil ihrer Strafe unter guter Führung abgesessen hätten, würden vorrangig bedacht. Von politischen Häftlingen war allerdings nicht die Rede.

Dass sie dennoch dazu gehören, wird auch deshalb vermutet, weil der Vorsitzende der neu eingesetzten Nationalen Menschenrechtskommission, Win Mra, den Staatschef zur Freilassung politischer Häftlinge aufgerufen hat. Alle Gefangenen, die keine "Bedrohung für die Stabilität des Landes und die öffentliche Ordnung" darstellten, sollten aus der Haft entlassen werden, hieß es in einem am Dienstag in der staatlichen Zeitung New Light of Myanmar veröffentlichten offenen Brief.

Die Familien der sogenannten Prisoners of Conscience erwarten laut der Zeitschrift The Irrawaddy, die von Exilbirmanern herausgegeben wird, dass rund 600 von ihnen frei kommen, unter ihnen einige bekannte Aktivisten. Ein Mitarbeiter des Innenministeriums sagte dem Blatt, seines Wissens nach würden weniger als 1.000 politische Gefangene entlassen.

Die Militärjunta, die von 1962 bis 2010 an der Macht war, hatte stets bestritten, dass es überhaupt politische Häftlinge gibt. Erst die neue Regierung räumte die Tatsache ein – und sprach sich Ende August für eine Generalamnestie für diese Gruppe Gefangener aus, zu der politische Aktivisten, Anwälte, Mönche, Journalisten und Internet-Blogger gehören.

Birma käme durch die Freilassung einer der wichtigsten Forderungen des Westens nach. Für die USA und Europa ist sie die Bedingung für die Aufhebung von Sanktionen, die aufgrund von Menschenrechtsverletzungen verhängt worden waren. Ein solcher Schritt würde Birma, das sich offenbar nicht ausschließlich an den großen Nachbarn China binden will, neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen.

Erst am Montag hatte ein US-Regierungsvertreter ein Entgegenkommen in Aussicht gestellt. Laut Kurt Campbell, für Asien zuständiger stellvertretender Staatssekretär, begrüßen die USA die Entwicklungen in Birma, drängen jedoch auf die Entlassung Gefangener. Auf derartige Schritte werde mit "vergleichbaren Schritten" reagiert, wurde Campbell zitiert.

Einen entscheidenden Einfluss auf die Position des Westens hat die Einschätzung von Aung San Suu Kyi, die rund 15 Jahre unter Hausarrest stand und als Ikone des Widerstands gilt. Ihre Nationale Liga für Demokratie (NDL) hatte die letzten freien Wahlen im Jahr 1990 gewonnen, war jedoch vom Militär nie an die Macht gelassen worden. Die Abstimmung im November hatte die Partei boykottiert und als unfrei kritisiert. Wenige Tage später wurde der Hausarrest für Aung San Suu Kyi aufgehoben.

Die Oppositionsführerin testet seitdem die Grenzen ihrer Freiheit mit öffentlichen Reden und mit Reisen im Land. Im August traf sie erstmals offiziell mit Thein Sein zusammen. Die "Lady", wie sie von Anhängern genannt wird, glaubt, wie sie sagt, daran, dass der Präsident einen echten Wandel anstrebt. Ob es tatsächlich dazu kommt, sei jedoch abzuwarten. Mit der Freilassung politischer Gefangener könnte Birmas Regierung nun dafür sorgen, dass die erwartungsvolle Haltung, mit der ihr die Opposition, Exilbirmanen und die internationale Gemeinschaft seit einiger Zeit begegnen, in echten Optimismus umschlägt.