Ohne Flughunde kein Wald

Die großen Fledermäuse sind ausgesprochen wichtig für den Forst auf dem afrikanischen Kontinent. Doch ihr Haupttreffpunkt am Rand des Kasanka-Nationalparks in Sambia ist bedroht.

Die Waldfläche, die hier bedroht ist, ist an globalen Maßstäben gemessen klein: Es geht um wenige Tausend Hektar – in Brasilien holzen sie Regenwald dieser Größe täglich ab, weltweit sind es Millionen Hektar pro Jahr. Doch die Bedeutung dieses kleinen Waldes ist enorm. Er liegt in der Pufferzone, die den Kasanka- Nationalpark in Sambia umgibt, Haupttreffpunkt der in Afrika beheimateten Palmenflughunde. Bis zu zehn Millionen dieser großen Fledermäuse mit einer Flügelspannweite von bis zu 80 Zentimetern kommen jährlich zwischen Oktober und Dezember aus Nachbarländern wie der Demokratischen Republik Kongo und Malawi und auch aus weiterer Entfernung bis hin zum Südsudan in das kleine Schutzgebiet. Das Ereignis gilt als größte Migration von Säugetieren weltweit.

Früchte aller Art, von denen die Palmenflughunde sich ernähren, finden sie nicht nur im Nationalpark selbst, sondern vor allem in der viel größeren angrenzenden Pufferzone, der Kafinda Game Management Area. Diese steht ebenfalls unter Schutz – zumindest in der Theorie. In der Praxis roden dort zwei Tochterfirmen der tansanischen Lake Group seit 2019 Flächen. Mehr als 1000 Hektar direkt an der Grenze zum Nationalpark, die für die Futtersuche der Flughunde entscheidend sind, sind so bereits verschwunden. „Im Nationalpark selbst, der den höchsten Schutzstatus in Sambia genießt, sind 50 Hektar mit einem Zaun abgetrennt worden“, sagt James Mwanza, Leiter des Kasanka Trust, einer gemeinnützigen Organisation, die den Park verwaltet.

„Die Aktivitäten sind ganz klar illegal, aber die Behörden gehen nicht dagegen vor“, klagt Mwanza. Nach seinen Beobachtungen entstehen in der Game Management Area, in der kommerzielle Landwirtschaft verboten ist, zum einen große Getreideanbauflächen, zum anderen ein privater Wildpark. Damit seien eine ganze Reihe von Problemen verbunden: „Die Tiere im Wildpark sind nicht einheimisch und bringen das hiesige Ökosystem aus dem Gleichgewicht. Für die Landwirtschaft wird der Großteil des Wassers eines Flusses gebraucht, der den Nationalpark und die lokale Bevölkerung versorgt. Und wenn die Flughunde nicht mehr genug Früchte finden, werden sie nicht mehr hierher kommen. Das hätte dramatische Konsequenzen – nicht nur für Kasanka und nicht nur für Sambia.“

Eine fatale Kettenreaktion befürchtet auch Dina Dechmann vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie. Die Flughunde-Expertin, die seit 2013 im Kasanka-Nationalpark forscht, erklärt: „Es ist nicht so, dass mit abnehmendem Futterangebot einfach weniger Tiere kommen. Sondern ab einem bestimmten Schwellenwert wird es einen Totalzusammenbruch geben: Sie werden gar nicht mehr kommen.“ Denn die Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass die Palmenflughunde Kasanka gerade deshalb aufsuchen, weil sich hier verschiedene Kolonien aus Afrika treffen, von denen jede mehrere Hunderttausend Tiere umfasst.

Ihr Ausbleiben wäre laut Dechmann für das lokale Ökosystem katastrophal. „Ihre Funktion kann kein anderes Tier übernehmen. Davon wären Pflanzenarten betroffen und Tiere, die wiederum von diesen Pflanzen abhängen.“ Doch auch weit über Kasanka und Sambia hinaus wären drastische Folgen zu erwarten: „Diese Flughunde sind eine Schlüsselart für das Aufforsten von Wäldern. Sie fliegen weite Strecken, behalten die Samen der Früchte, die sie fressen, lange im Darm und lassen sie mit ihrem Kot auch über kahlen Flächen fallen“, erklärt die Forscherin.

In einer Studie an Palmenflughunden in Ghana hat ihr Team herausgefunden, dass eine Kolonie von 150 000 Palmenflughunden in einer einzigen Nacht 340 000 Samen auf einer Fläche von bis zu 13 000 Quadratkilometern verteilen kann. „Durch die Verteilung entstehen jedes Jahr 800 Hektar neuer Wald“, so Dechmann. Die Anzahl Bäume, die die um ein Vielfaches größere Kolonie in Sambia aussät, dürfte entsprechend höher sein. „Der Wald in Afrika ist auf Flughunde angewiesen“, fasst sie zusammen.

Im Rahmen der Studie in Ghana haben die Forschenden auch berechnet, welchen ökonomischen Wert die untersuchte Flughunde-Kolonie für die Bevölkerung hat: Sie kamen auf mehr als 700 000 Euro – durch essbare Früchte, erhöhte Bodenfruchtbarkeit und Holz. In Sambia kommt hinzu, dass die Fledertiere viele Touristen in den Kasanka-Nationalpark locken und somit für wichtige Einnahmen in der Region sorgen. „Der Kasanka Trust ist der größte Arbeitgeber der Region“, erklärt Mwanza. „Wenn wir die Flughunde verlieren, ist der Park am Ende; wir haben hier keine großen Tiere für Safaris wie andere Nationalparks. Viele Familien werden ihren Lebensunterhalt verlieren.“

Das Abholzen des Waldes wurde bereits untersagt - vergeblich

Die Parkverwaltung hat nichts unversucht gelassen, um gegen die Landnahme und Abholzung vorzugehen. „Seit drei Jahren reden wir mit allen möglichen Behörden, von der Wasserbehörde über die Touristenbehörde bis zur Umweltagentur. Wir haben lokale Autoritäten einbezogen und sind auf die Unternehmen zugegangen.“ Nichts sei geschehen. „Das letzte Mittel haben wir im Gang vor Gericht gesehen“, sagt Mwanza. Der Kasanka Trust verklagte die beiden Firmen und sechs Behörden.

Das Urteil steht noch aus. Doch selbst wenn es zugunsten der Nationalparkverwaltung ausgehen sollte, ist tatsächlicher Schutz nicht garantiert – er hängt von der Umsetzung ab. Auch in der Vergangenheit haben sambische Behörden das Vorgehen der Lake Group bereits untersagt. So ordnete das für Nationalparks zuständige Amt beispielsweise im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Oktober die Verlegung der landwirtschaftlichen Aktivitäten in ein Gebiet außerhalb der Pufferzone an. Die Anordnung blieb ohne Folgen.

Der Fall Kasanka zeigt exemplarisch, wie Worte und Taten beim Umweltschutz – wie auch beim Klimaschutz – auseinanderklaffen. Auf der Weltklimakonferenz im November in Glasgow haben sich 141 Staaten dazu verpflichtet, die Zerstörung von Wäldern und anderen Landökosystemen bis 2030 zu stoppen. Der Beschluss wurde gefeiert, denn die beteiligten Länder verfügen über gut 90 Prozent der weltweiten Waldfläche. Sambia ist eins davon – und vermutlich nicht das einzige mit Umsetzungsproblemen.